In dem
Roman von Patrick Süskind „Das Parfüm“ verwendet der Autor sämtliche religiöse
Elemente aus dem Christentum. Süskinds Absicht besteht darin, sich mit dem
Christentum auseinanderzusetzen und diese Religion zu hinterfragen.
Genauso wie
alle Religionen, beansprucht das Christentum die absolute Wahrheit für sich
selbst. Also setzt auch die Bibel eine absolute Wahrheit voraus. Nach dem
Glauben des Christentums, kann eine Gesellschaft nur durch das Verfolgen der
Bibel, die absolute Wahrheit erlangen und ins Paradies gelangen. Somit ist die
absolute Wahrheit durch Gott, Jesus Christus und die Bibel erreichbar.
Genau Über diese absolute Wahrheit, die die Religionen für sich beanspruchen
macht sich Süskind in seinem Roman das Parfüm lustig darüber. Denn nach
seiner Sicht, kann es so etwas wie eine absolute und objektive Wahrheit nicht
geben und daher muss die biblische Wahrheit dekonstruiert werden. Deshalb geht
er vor und dekonstruiert sämtliche biblische Wahrheiten. Er fängt mit der
Dekonstruktion an, in dem er seinen Protagonisten als Jean Baptiste bezeichnet.
Er gibt ihm den Vornamen des Johannes des Täufers, der in der Bibel vorkommt.
Im Gegensatz zu Grenouille hatte Johannes der Täufer ein sehr heiliges Leben.
Im Alten Testament ist er der letzte Prophet, und im
Neuen Testament gilt er als Vorläufer von Jesus Christus. Johannes predigte in
der Wüste und bewegte die Menschen zur Buße und Umkehr. Bekleidet in Kamelhaar
und einem ledernen Gürtel, lebte er von Heuschrecken und wildem Honig[1]. Auch
Christus ließ sich von ihm taufen. Süskind erzeugt durch diesen Vornamen genau
das Gegenteil des Täufers. Er parodiert über den Johannes des Täufers, der in
der Bibel vorkommt, welches eine übertreibende, verspottende Nachahmung eines
bereits bestehenden Werkes, ist also hier die Bibel. Süskind verändert den
Inhalt so, dass er nicht mehr zur Form passt. Grenouille hat einige
Gemeinsamkeiten mit Johannes dem Täufer, er geht auch in die Wüste, ernährt
sich von Heuschrecken und auch er möchte Engelgleich erscheinen. Doch was
den Grenouille hier vom Johannes unterscheidet ist, dass Johannes das Kommen
von dem Messias angekündigt hat und Grenouille sich als den kommenden Gott
angekündigt hat. Er hat den Menschen geholfen und Grenouille hat die Menschen
umgebracht. Süskind strukturiert das Bild des Johannes des Täufers um, damit er
eine neue Bedeutung erzeugen kann. Das dient auch dazu, dass wir unsere
eigene Meinung die auf unsere Gefühle und Imagination basieren konstruieren
können.
Eine
weitere Dekonstruktion des Christentums bezieht sich auf Jesus Christus.
Grenouille besitzt wie Jesus keinen Vater, doch Jesus wurde durch Gott an die
Jungfrau Maria gegeben und hier ironischer weise, weiß die Mutter Grenouilles
nicht, wer der Vater ist , da sie eine Prostituierte ist. Süskind, stellt
den Grenouille als eine Art „Jesus“ dar, indem er ihn mit Fähigkeiten
ausstattet, eine Art göttliche Gabe; mit einem Geruchssinn, über den kein Wesen
verfügen kann. So bezeichnet Süskind Grenouille als „Wunderkind“ (Das
Parfüm,1985 Seite 33,95) sowie Jesus Christus heutzutage auch als ein
Wunderkind angesehen wird, durch seine göttlichen Gaben. „Denn uns ist ein Kind
geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seine Schulter;
und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst“(Jesaja 9, 5+6).
Süskind
verwendet von Anfang bis Ende immer wieder Elemente des Christentums und
erzeugt dadurch die fiktive Welt seines Romans. Diese christlichen Elemente und
Rituale, werden komplett umgestellt und das ist die Absicht, den Leser zu
verwirren, damit er seine eigene Wahrheit in Frage stellen kann beziehungsweise
soll. Durch das hin und her Spiel von Gut und Böse, von Gott und Teufel
erscheint Grenouille eher als ein Anti-Christ.
Die für
das Christentum wichtige Rolle spielende Elemente werden in ,,das Parfüm“
verwendet um sich darüber lustig zu machen und darüber hinaus die bereits
bekannten und in der Gesellschaft anerkannten Werte aus einer ganz anderen
Perspektive zu betrachten. So verwendet Süskind neben den christlichen Düften
wie Weihrauch, Myrrhe und Aloe, die eine heilende Wirkung im Christentum
besitzen auch ein christliches Symbol des Fisches, das von Anfang an erwähnt
wird. Grenouille wird in einer Fischbude geboren. Er kommt als lebendiges
Wesen auf die Welt und aber befindet sich zwischen toten Fischen. Sein erstes
Wort, das er ausspricht ist „Fische“, (Das Parfüm Seite 29), das er in einem
Moment plötzlicher Erregung ausspricht. Erstaunlicher Weiße ist der Fisch auch
ein Symbol des Christentums, das für ein Zeichen der verfolgten Christen steht.
Es ist eines der ältesten Symbole für Jesus Christus und ein geheimes
Erkennungszeichen der ersten Christen. Aus Angst vor Verfolgung zeigten sie mit
diesem Zeichen: Wir gehören zu Jesus Christus. Auf Griechisch heißt Fisch
„ICHTHYS“. Die einzelnen Buchstaben dieses Wortes können jeweils den Anfang
eines neuen Wortes bilden. Zusammen entsteht daraus ein kurzes
Glaubensbekenntnis: IESOUS CHRISTOS THEOU YIOS SOTER = Jesus Christus, Gottes
Sohn, Erlöser. Demnach sind Christen Menschen, die wie Fische im
Wasser schwimmen. So steht der FISCH zur Ausbreitung
des Evangeliums.[2]
Für Grenouille bietet der Fisch auch eine Sicherheit, genau wie es den
Christen eine Sicherheit gegeben hat. Denn das erste womit Grenouille in
Verbindung tritt, nach dem er auf die Welt kommt ist nicht die warme Brust der
Mutter, sondern der Geruch von toten Fischen.
Süskind
verwendet die größte Ironie und Parodie gegenüber der Schöpfungsgeschichte. die
im Genesis erwähnt wird. Er macht sich lustig über die biblische Wahrheit der
Schöpfung Gottes und lässt Grenouille anhand von seiner Imagination und seinem
Erinnerungsvermögen seiner Düfte die Welt neu erschaffen, und versetzt ihn in
die Position des Gottes. Doch während es die Sintflut ist, die die Welt unter
Wasser gelegt hat ist es bei Grenouille nur destilliertes Wasser, welches die
größte Ironie darstellt. Hier sehen wir anhand von dem Vergleich der Bibel und
des Parfüms die Sprachwahl von Süskind, das der Bibel sehr ähnelt. Genesis: ,,Dann sprach Gott: das Wasser
unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das trockene sichtbar
werde…Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von
Pflanzen, die Samen tragen und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit
ihrem Samen darin (Das Buch Genesis“(1.Mose 1,9+ 1,11)). Und
im Vergleich in das Parfum: „ Da gebot der Große Grenouille Einhalt dem Regen. Und er schickte
die milde Sonne seines Lächelns über das Land, worauf sich mit einem Schlag die
millionenfache Pracht der Blüten erschloss, von einem Ende des Reichs bis zum
anderen, zu einem einzigen bunten Teppich“ (Das
Parfüm Seite 154).
Und wiederrum ein weiteres vergleichbares Beispiel, dass
ziemlich der Wortwahl in ,,das Parfüm“ ähnelt „Und es geschah also. Und Gott sah an alles, was er
gemacht hatte; und siehe! es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der
sechste Tag. […] Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er
geschaffen hatte, und ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk
vollbracht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig;
denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet
hatte“ (Genesis 2:2,3.) Und im Vergleich in das Parfüm: ,,Und es geschah. Und der Große
Grenouille sah, dass es gut war, sehr, sehr gut. Und er blies den Wind seines
Odems über das Land “ (Das Parfüm Seite 154). „Der Große Grenouille aber war
etwas müde geworden und gähnte und sprach: „Siehe, ich habe ein großes Werk
getan, und es gefällt mir sehr gut“( Das Parfüm Seite 154). Süskind
verwendet hier nicht nur Ironie, indem er einen Menschen wie Grenouille mit
Gott gleichstellt und durch destilliertes Wasser die Welt erschaffen lässt,
seine Absicht besteht darin durch die Verwendung der christlichen
Schöpfungsgeschichte, der Welt eine neue Bedeutung zu zuordnen. In der
Postmoderne gibt es nicht nur eine einzige Wahrheit, eine einzige Religion oder
eine einzige Ideologie.
Ein weiteres christliches Element, das auch im Genesis
vorkommt ist der Verstoß von Adam und Eva gegen Gottes Verbot vom Baum der
Erkenntnis von Gut und Schlecht im Garten von Eden zu essen, als Strafe wurden
sie aus dem Paradies verbannt und auf die Erde geschickt, welches heute
ebenfalls als „Sündenfall“ bezeichnet wird. Der Fall vom Paradies auf die Erde.
„Der Zeck Grenouille, vor die Wahl
gestellt in sich selbst zu vertrocknen oder sich fallen zulassen, entschied
sich für das Zweite, wohl wissend, dass dieser FALL sein letzter sein würde“(Das
Parfüm Seite 232). Grenouille, weiß das der Duft des
Mädchens ihn vernichten wird, doch auch er kann so wie Adam und Eva nicht
widerstehen und entscheidet sich für die verbotene Frucht und weiß, dass dies
sein letzter Fall sein wird.
Des Weiteren verwendet Süskind biblische Elemente, um sich
sowohl mit dem Christentum auseinanderzusetzen aber auch um eine
Intertextualität herzustellen, welches für den postmodernen Autor von großer
Bedeutung ist. Demnach geht er wie folgt vor und stellt in seinem Roman „das Parfüm'' intertextuelle
Bezüge zu der Bibelgeschichte von Barabbas her.
Die Bibel erzählt davon, dass Jesus Christus verhaftet
wird und es dem Volk überlassen wird einen freizusprechern. Als aber das Volk
vor die Entscheidung gestellt wird, entscheiden sie sich für den Mörder
Barabbas anstelle von Jesus Christus. ,,Da
schrie der ganze Haufe und sprach: Hinweg mit diesem und gib uns Barabbas
los! Wir wollen Barabbas!” (Lukas 23:18,19,25). Ebenso können wir in Süskinds Roman eine Parallelität erkennen, denn als Grenouille
geschnappt wird un dem Volke präsentiert wird, ,,erscholl es in einem einzigen donnernden Wut-und Racheschrei: „Wir
wollen ihn haben! “(Das Parfüm Seite 275).
Auch verwendet Süskind Ähnlichkeiten
zwischen der Kreuzigung Jesu und das Urteil über Grenouilles Tod. Das Jesus und auch
Grenouille an einem Kreuz vor dem Volke gekreuzigt werden sollen, ähneln sich
sehr. Doch im Gegensatz zu Jesus, schafft es Grenouille der Folter zu entgehen,
mit seinem selbst erzeugten Engelparfum und entgeht seinem Tod. Er scheint
mächtiger als der Allmächtige Gott zu sein. Er wird durch seinen Parfum so sehr
geliebt, dass die Menschen ihn mit einem Engel identifizieren. Zum Ende hin,
wird Grenouille wieder mit
Jesus in Verbindung gebracht. Jesus sitzt am Vorabend seines Kreuztodes mit
seinen 12 Jüngern und meint: „Tut dies zu
meinem Gedächtnis“ (Matthäus 26:26). Und
während sie aßen, nahm Jesus das Brot und dankte und brach es und gab es ihnen
und sprach: Nehmet, esset das ist
mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte und gab ihnen den; und sie tranken
alle daran. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des neues Bundes, das für
viele vergossen wird“ (Mt. 26:26). Diese Aussage von Jesus
Christus am letzten Abendmahl, welches metaphorisch ist, wird von Grenouille
tatsächlich vollzogen, wie als würde er sagen: „Nehmet, esset das ist mein
Leib“. Denn Patrick Süskind führt es wie folgt auf: „Und dann brach mit einem
Schlag die letzte Hemmung in ihnen…Sie stürzten sich auf den Engel...rissen ihn
zu Boden…Sie zerrupften ihn, sie schlugen ihre Kralen und Zähne in sein Fleisch
und fraß es auf (Das Parfüm S.319). Hier spielt Grenouille Jesus nach und
opfert im eucharistischen Mahl der Gemeinde sich selbst. Der Körper Grenouilles
wird hier einverleibt, die Menschen auf dem Friedhof nehmen seinen Leib in sich
auf wie es heute Christen symbolisch mit Christus tun.[3]
Schließlich weist das Parfüm noch eine weitere Ähnlichkeit mit der Bibel auf und zwar mit der Grablegung Jesu. Denn nachdem Jesu gekreuzigt worden ist und nachher im Grab liegt, bereiteten die ihm aus Galiläa nachgefolgten Frauen „wohlriechende Öle und Balsamöle“ (LK 23,56) zwecks Einbalsamierung seines Leichnams am Tag nach dem Sabbat. Und in einer anderen Überlieferung kam Nikodemus zur Einbalsamierung des Leichnams Jesu und brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe“ mit (Jo 19,39). Genau besprüht sich Grenouille vor seinem Tod, mit dem selbsterzeugten Duft der 25 Mädchen, welches ebenfalls durch das Einölen und Einbalsamieren der Mädchen erzeugt worden ist. Doch ironischerweise ist Jesus für die Liebe gestorben und die Menschen die Grenouille aufgegessen haben „waren außerordentlich stolz, denn sie hatten zum ersten Mal etwas aus Liebe getan“ (Das Parfüm Seite 305).
[1] http://www.kathpedia.com/index.php?title=Johannes_der_T%C3%A4ufer
[2] http://christliche-symbole.de/8.html
[3] "Das Parfum" und das Böse:
Patrick S skinds Protagonist Jean Baptiste Grenouille von Martina Jansen ( Seite 47)