30 Mart 2015 Pazartesi

Was bedeutet „Algerien“ für Albert Camus? - Aydan Şimşek



Erläuterung anhand von Textstellen aus dem Buch von „Die Pest“

Kurze Biographie von Albert Camus

Die folgende Arbeit wird sich darauf belaufen, um zu erläutern was „Algerien“ für den Autor Albert Camus bedeutet. Doch zunächst ist es wichtig sich mit seinem Leben auseinanderzusetzen. Camus ist im französisch kolonisierten Algerien im Jahre 1913 geboren, hat seinen Vater nicht kennenlernen können, weil der Vater im ersten Weltkrieg gefallen ist. Seine Mutter hat als Fabrikarbeiterin und Putzfrau gearbeitet, um für den armen Haushalt Unterhalt zu verdienen. Trotz der Umstände und seiner Erkrankung an Tuberkulose hat Albert Camus Philosophie in der Universität Algiers studiert. Aber wegen seiner Erkrankung an Tuberkulose wurde ihm der Staatsexamen und der Dienst im zweiten Weltkrieg verweigert. Während er sämtliche erfolgreiche Werke veröffentlicht hat, ist er immer zwischen Frankreich und Algerien hin und hergereist. Im Jahre 1960 ist Albert Camus im Alter von 47 Jahren bei einem Autounfall in Frankreich gestorben.

Das dargestellte Bild von „Algerien“ in Camus Werken

Wie ich oben bereits erwähnt habe, da Albert Camus seine Jugend in Algerien verbracht hat, hatte er eine ziemlich persönliche Bindung und Beziehung zu ihr. Diese Bindung beeinflusste auch seine Werke, so hat er sich geäußert, dass Algerien ein Ort ist, wo man „sein Glück“, „seine Energie“, und „seine Kreativität“ finden kann. Es war seine wahre Heimat. Diese Heimat war geprägt von: „Sonne“, „Licht“, „Hitze“, „Wind“ und das „Meer“. All diese Naturerscheinungen prägten ihn so sehr, dass sie ihm das Schreiben ermöglicht haben. Das mediterrane und die natürliche Schönheit dieses Landes, war ein Mittel, für die Bewohner um die Demütigungen, die Armut und die Diskriminierung vergessen zu können.*

So versucht  Albert Camus in seinen Werken, den Leser in die Position des Sehenden zu versetzen und ihm die ganze Umgebung zu vermitteln. Der Leser soll alles miterleben und alles auf dieser Erde sehen.

Das dargestellte Bild der Natur in Camus Algerien ist nicht immer positiv und mit Helligkeit erfüllt, denn die harten Naturumstände können auch gefährlich sein, wie er auch selber schildert:  Man muss sicherlich lange in Algier gelebt haben, ehe man begreift, wie sehr eine im Übermaß schenkende Natur den Menschen verarmen kann. Wer etwas lernen, sich erziehen, sich bessern will, ist hier verloren. Dieses Land gibt keine Lehren. Es verlangt klare sehende Seelen, die keinen Trost brauchen, Seltsames Land, das dem Menschen, denn es ernährt, beides zugleich gibt: „Glanz und Elend“**. Glanz und elend sind insbesondere wichtig, denn in der Pest ist Algerien mehr vom Elend umgeben als vom Glanz.

Camus „Algerien“ anhand von „Die Pest“

Eines seiner wichtigsten Werke war die Pest, das im Jahre 1947 erschienen ist und durch diesen Albert Camus sehr an Ruhm erlangt ist. Die Pest spielt sich in Oran ab, welches eine Provinz des nordwestlichen Algeriens ist und an der Mittelmeerküste liegt. Sie ist nach Algier die zweitgrößte Stadt Algeriens. Albert Camus schildert sein Empfinden über Algerien und beschreibt die Situation seines Heimatlandes zu der Zeit, durch die Erkrankung an der Pest und das Leben der Menschen in der Stadt Oran. Das Leben in Algerien bedeutete für Albert Camus etwas Gewöhnliches und die Menschen, die sich dort aufhielten waren auch gewöhnlich. So beschreibt er in seinem Roman „Nach allgemeiner Ansicht passten sie nicht dort hin, da sie etwas aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fielen. Auf den ersten Blick ist Oran nämlich eine gewöhnliche Stadt und nichts weiter als eine französische Präfektur an der algerischen Küste“ (Die Pest S.7). Obwohl Camus viel Wert auf seine Heimat legte, hat er es in diesem Roman negativ beschrieben so sagt er wie folgt „Die Stadt selbst ist, wie man zugeben muss, hässlich“(S.7). Wenn man beachtet, dass zu der Zeit der zweite Weltkrieg herrscht und Albert Camus diesen auch miterlebt hat, kann man davon ausgehen, dass die Umstände dieses Krieges und auch die Folgen vom Nationalsozialismus, seine Heimat in etwas Hässliches umgewandelt haben. 

Bevor die Pest in der Stadt ausgebrochen ist ähnelte es einem Gefängnis, denn was ein Leben ausmacht sind Lebewesen, Bäume und dergleichen. Aber Albert Camus schildert, dass die Stadt wie ausgestorben ist „Wie soll man auch das Bild einer Stadt ohne Tauben, ohne Bäume und Gärten vermitteln, wo einem weder Flügelschlagen noch Blätterrauschen begegnen, einen neutralen Ort?“(S.7).

Das dargestellte Bild von seiner Heimat Algerien ist in der „Pest“ eher pessimistisch, es ist kein neutraler Ort, so wie es Camus schildert, es ist viel mehr ein Ort, dass sich den Schönheiten der Natur den Rücken zugewendet hat. Denn sogar die Jahreszeiten welches man eigentlich spüren und sehen kann, „lässt sich einzig am Himmel ablesen“(S.7). Sogar der Frühling ist etwas „der auf den Märkten verkauft wird“. Die oranische, also algerische Sommersonne wird hier ebenfalls als etwas Bedrohliches dargestellt, dass sie „die ausgetrockneten Häuser in Brand“ steckt und die „Mauern mit grauer Asche“ bedeckt. In Camus Werken war die Sonne etwas Essentielles und Glänzendes, aber in der Pest wirkt es eher als ein Mittel, der die Menschen in Gefahr versetzt und die Krankheit noch mehr ausbreitet. Camus empfindet diese Stadt als langweilig und banal aufgrund von den Menschen die in dieser Stadt wohnen, diese „interessieren sich nur für den Handel“, sie haben kein Mitgefühl, sie wissen nicht genau was die richtige Liebe ist so „verschlingen Männer und Frauen einander schnell im sogenannten Liebesakt oder lassen sich auf eine lange Gewohnheit zu zweit ein.“(S.9). Diese Menschen die ahnungslos sind und vom richtigen Leben nichts wissen, die nichts in Frage stellen und die sich nicht mit den wichtigen Dingen des Lebens beschäftigen, wirken sich auf die algerische Stadt Oran auf, denn dadurch wird es zu einer Stadt des hässlichen und zu einer „Stadt ohne Ahnungen, das heißt eine ganz moderne Stadt“(S.9). Da in Albert Camus Leben Isolation und Exil eine wichtige Rolle gespielt haben, erinnert ihn diese algerische Stadt an sein Leben im Exil, in dem er von seiner Heimat getrennt war, von seiner Frau getrennt war und die Isolation in seiner Tuberkulosekrankheit. Diese Stadt ist eine Stadt in der der Mensch alleine gelassen wird, wenn er krank ist. So sagt er zum Beispiel „Ein Kranker ist hier sehr allein“. Damit könnte Albert Camus auch auf seine persönliche Krankheit Bezug nehmen und verdeutlichen, dass er auch alleine gelassen wurde. Obwohl Algerien seine eigene Heimatstadt ist, die er vielleicht auch sehr gern gehabt hat, versucht er in diesem Roman auch die negativen Seiten seiner Heimat darzustellen. Auch er wurde in Algerien im Stich gelassen und nicht zum Staatsexamen zugelassen, aufgrund seiner Krankheit. Des Weiteren schildert er zum Beispiel „Origineller an unserer Stadt ist die Schwierigkeit, der man hier beim Sterben begegnen kann“, oder auch „Ungemütlichkeit“ (S.9). Die Menschen in dieser Stadt haben Angst vor dem Sterben oder auch ist es die Angst der Isolation, und der Einsamkeit, die auch Albert Camus durchmachen musste. 


Es fehlt den Menschen hier an Mitgefühl, weil sie sehr darauf bestrebt sind an sich selbst zu denken, so würde jemand der am Sterbebett ist unbeachtet werden weil es ein „gefühlloser Ort“ (S.10) ist. Das Leben in dieser Stadt so wie Albert Camus es schildert ist ein einfaches Leben, ohne Aufregung, ohne Unordnung; „es ist eine Stadt ohne Pittoreskes, ohne Vegetation und ohne Seele“(S.10). Eine Stadt ohne Seele bedeutet so viel wie eine Stadt, die ausgestorben ist und von jeglicher Schönheit entfernt ist. So ist diese Stadt auch so erbaut, dass es unmöglich ist das Meer hier sehen zu können. Diese algerische Stadt, das einem Gefängnis ähnelt und „zwischen ihren langen verputzten Mauern, in den Straßen mit den staubigen Schaufenstern, in den schmutzig gelben Trambahnen“ gibt dem Menschen das Gefühl als sei er ein „Gefangener des Himmels“(S.39). Diese Schilderung wurde bereits vor dem Ausbruch der Pest wiedergegeben, noch bevor die Tore gesperrt wurden, hat sich der Mensch in dieser Stadt wie ein Gefangener gefühlt. Camus mit seinem algerischen Hintergrund, könnte einen allegorischen Bezug auf den Nationalsozialismus und den zweiten Weltkrieg nehmen. Denn Kriege sind genauso sinnlos wie die Krankheit Pest. Kriege töten den Menschen grundlos und geben ihm ein Gefühl ein Gefangener zu sein. Dieses Werk das zu der Zeit des Krieges geschrieben wurde, hat auch das Heimatbild von Camus verändert. Seine Algerische Heimat war nicht mehr das schöne und das besondere mit mediterraner Natur, sondern ein Land das krank wurde aufgrund von der dramatisch politischen Lage, die sich in der Welt abgespielt halt. Diese kriegerische Bedrohung hat den Menschen eingeengt und ihm ein Leid angefügt. So sagt zum Beispiel Camus „Ich will mit der Pest das Ersticken ausdrücken, an dem wir alle gelitten haben, und die Atmosphäre der Bedrohung und des Verbannt seins, in der wir gelebt haben. Ich will zugleich diese Deutung auf das Dasein überhaupt ausdehnen. Die Pest wird das Bild jener Menschen wiedergeben, denen in diesem Krieg das Nachdenken zufiel, das Schweigen – und auch das seelische Leiden“***
. Albert Camus schildert in diesen Tagebüchern, dass dieser Krieg eine Erstickung des Menschen bedeutet hat. So kann Algerien, als der Ort angesehen werden an dem verschiedene Gefühle zum Ausdruck gebracht werden. Zumal transformiert die Stadt in eine „Totenstadt“(S.195) und stärkt das „Gefühl von Ungerechtigkeit“(S.269) in den Herzen der Menschen und die „ganze Stadt lebte ohne Zukunft“(S.293). Das Gefühl von Heimat muss dem Menschen Geborgenheit geben, ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln, und eine Harmonie darlegen. Aber die Menschen in dieser Stadt hatten jegliches Gefühl an Zusammensein verloren, sie haben auch jede Hoffnung auf ihre Zukunft verloren. Denn auch die Heimat, die man eigentlich kennt, kann sich plötzlich durch etwas außerordentliches hier die Pest, oder durch den Krieg verändern. Aus diesem Grunde musste man die wahre Heimat wieder finden und diese wahre Heimat nach der sie vergeblich suchten „befand sich jenseits der Mauern dieser erstickten Stadt“(S.339). Es befand sich im „Gewicht der Liebe“ (S.340). Es wird erkennbar, dass Albert Camus einen Wert auf die Liebe legte, eine Stadt ohne Liebe wird zu einer seelenlosen Stadt, zu einer Totenstadt. Der Mensch selbst befindet sich dann in einem Exil in seiner eigenen Stadt. Aus diesem Grunde wird Algerien zu etwas negativen für Albert Camus, er findet keine Geborgenheit und keine Liebe in dieser Stadt durch die bedrohlichen Umstände. Es trennt die Menschen von Geliebten und auch Albert Camus schildert das, „die Pest unseren Mitbürgen als erstes das Exil“(S.82) gebracht hat. Seine Heimat war mit „wachen Schlafenden bevölkert“, (S.208) und in „allen Herzen war es Nacht“(S.195). Camus kritisierte auch die Menschen in seiner Stadt, die gegen Unrecht und Gewalt nichts auszusetzen hatten und schwiegen. Deshalb formuliert er wie folgt: ,,Doktor Rieux, beschloss den hier endenden Bericht zu schreiben, um nicht zu denen zu gehören, die schweigen […] um einfach zu sagen, was man in Plagen lernt, nämlich dass es an den Menschen mehr zu bewundern als zu verachten gibt“(S.350). Aus diesem Grunde sollten die Menschen nachdenken und nicht schweigen, sie sollten aus der Position des „wachen Schlafenden“ herauskommen und aktiv handeln und ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Albert Camus Algerien welches einem „Wartesaal“ (S.206) glich und durch die Pest alle „die Fähigkeit zur Liebe und sogar zur Freundschaft“(S.207) verloren hatten, war deshalb eine düstere Stadt. Dennoch war diese düstere Stadt Oran ein Teil von seiner Heimat Algerien, in der er doch etwas Natürliches gefunden hatte und zwar, dass Oran und seine Menschen ihre innere wahre banale Identität aufzeigen und sich nicht verstellen. Unter all diesen schlechten Gesichtspunkten schien der Mensch doch glücklich zu sein, aber mit dem Einbruch der Pest wurde sie in einen hoffnungslosen Unglücksort verwandelt. Algerien war der Ort, indem Albert Camus sich glücklich fühlte, so sagt er am Ende seines Romans als eine Warnung dass „vielleicht der Tag kommen würde, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und zum Sterben in eine glückliche Stadt schicken würde“(S.349). Auch seine Stadt trotz ihre Langeweile und Gewöhnlichkeit eine glückliche Stadt, aber durch die Pest  hat diese Stadt eine Lehre erhalten und zwar, dass die Menschen ihr Leben schätzen und die gegenseitige Solidarität, Freundschaft und die Liebe im aussichtslosen Kampf finden sollen.

*Clemens A. Wurm Albert Camus, Algerien und der Algerienkrieg Seite 2
**Die Welt; „Was uns Camus noch lehrt“ von Thomas Schmid
*** Tagebücher 1935 – 1951, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juli 1997, S.252